Perspektiven einer evolutionären Ästhetik

13.01.2015 18:15 UHR

Perspektiven einer evolutionären Ästhetik

Evolutionäre Ästhetik wird hier als eine Ästhetik verstanden, die konsequent auf dem Boden einer evolutionären Anthropologie steht. Während die traditionellen Anthropologien dualistisch waren – der Mensch sollte ein Zwei-Komponenten-Wesen sein, zusammengesetzt aus einer wenig bedeutsamen natürlichen und einer absolut bedeutsamen übernatürlichen = geistigen Komponente –, versteht die evolutionäre Anthropologie den Menschen als ein Wesen, das ganz und gar, auch in seinen geistigen Fähigkeiten, aus der Evolution hervorgegangen ist. Das lässt sich beispielsweise an der menschlichen Kognition demonstrieren. Es gilt aber auch für die Ästhetik. Die ästhetische Einstellung ist nicht erst von Menschen erfunden worden, sondern bereits im Tierreich entstanden. Inwieweit stellt die menschliche Ästhetik eine Fortsetzung der tierischen Ästhetik dar? In welchen Aspekten geht sie über diese hinaus? Und was bedeutet die ästhetische Wahrnehmung nicht nur für den Wahrnehmenden, sondern umgekehrt für die Gegenstände dieser Wahrnehmung? Üblicherweise betrachten wir alles vom Menschen aus. Sollten wir nicht auch einmal die umgekehrte Perspektive erproben und fragen, was unser Tun im Kontext der Welt bedeutet – der wir ja nicht als Sonderwesen gegenüberstehen, sondern der wir als Teil zugehören?

Wolfgang Welsch, Jg. 1946, ist emeritierter Professor der Philosophie und lebt in Berlin. Er lehrte an den Universitäten Bamberg (1988–1993), Magdeburg (1993–1998) und Jena (1998–2012). Gastprofessuren hatte er inne in Erlangen-Nürnberg (1987), an der Freien Universität Berlin (1987– 1988), der Humboldt-Universität zu Berlin (1992–93), der Stanford University (1994–95) und der Emory University (1998). 1992 erhielt er den Max-Planck-Forschungspreis.

Seine Forschungsschwerpunkte sind: Anthropologie und Epistemologie, Theorie der Evolution, Philosophische Ästhetik und Kunsttheorie, Kulturphilosophie und Philosophie der Gegenwart; seine philosophischen Leitfiguren sind Heraklit, Aristoteles und Hegel. In den letzten Jahren hat er ein konsequent evolutionistisches Verständnis des Menschen und seines Verhältnisses zur Welt unter Berücksichtigung der natürlichen wie der kulturellen Evolution entwickelt.

Wichtigste Monographien: Aisthesis (1987); Unsere postmoderne Moderne (1987, 7. Aufl. 2008); Ästhetisches Denken (1990, 7. erweiterte Aufl. 2010); Vernunft (1995, 4. Aufl. 2007); Grenzgänge der Ästhetik (1996); Undoing Aesthetics (1997); Immer nur der Mensch? (2011); Blickwechsel – Neue Wege der Ästhetik (2012); Mensch und Welt (2012); Homo mundanus – Jenseits der anthropischen Denkform der Moderne (2012); Der Philosoph: Die Gedankenwelt des Aristoteles (2012).




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