© Jens Brand

09.11.2022 – 04.02.2023

GHOSTS – MIT NOA HEYNE & JENS BRAND

Die Ausstellung von Noa Heyne und Jens Brand – mit dem Titel GHOSTS – entstand nicht aus einer Zusammenarbeit in der Produktion der Werke, sondern aus einem konstruktiven Austausch. Es ging dabei weniger um das Aufteilen der Wände und Räume der galerie weisser elefant oder um visuelle Übereinstimmungen, sondern um einen Dialog, der Geister hervorrief. Während die Werke von Jens Brand fast die gesamte Galerie durch diskreten Klang bespielen, haben die Werke von Noa Heyne eine physische Präsenz und sind wie die Relikte seltsamer technologischer Maschinen zu verstehen. Jeder der beiden Künstler besetzt unterschiedliche Räume, dennoch schafft ihre Kombination in einer Ausstellung neue Bedeutungen.

Bei Jens Brand und Noa Heyne findet man Elemente eines gemeinsamen Vokabulars, so verwenden beide in ihren Werken Motoren (aber würde man denn Maler zusammenbringen, nur, weil sie mit Pinseln und Pigmenten umgehen?). In Noa Heynes Installation Satellite Cradel (2022), hauchen Motoren künstlichen Satelliten, die im großen Saal der Galerie gestrandet zu sein scheinen, Leben ein – aber wenn man ihre Bewegungen beobachtet, könnte man vielmehr von ihren letzten Atemzügen sprechen. Es sind Fragmente von Objekten, die auf den Boden gefallen sind und sich langsam mithilfe von Seilen, Laufrollen und Motoren fortbewegen. Die Motoren von Jens Brand wiederum sind kaum sichtbar, werden aber vom Künstler so eingesetzt, dass sie abstrakte Melodien „singen“. Die Arbeiten verbindet eine gewisse Ästhetik des Einfachen, Direkten, des Objekts, das so gezeigt wird, wie es ist. Die Technologie wird nicht in den Vordergrund gestellt, die Schweißnähte sind schroff, die Motoren sichtbar, ohne jegliche Form von Karosserie oder Suche nach übertriebener Raffinesse im Design. Die beiden Künstler fasziniert ein gewisses Low-Tech, das an die Anfänge der Industrie, an Experimente, Tests und Forschungen erinnert, viel mehr als fertige, abgeschlossene Produkte.

Es wäre aber auch denkbar, eine weniger formale, sondern eher konzeptuelle Verbindung zwischen den beiden Künstlern über die Idee des Science-Fiction zu finden. Manchmal führen uns Satelliten zurück zur Geschichte der Eroberung des Weltraums, zum Eintritt von Sputnik 1 in die Stratosphäre im Jahr 1957 und zur inspirierenden Kraft, die dieser Moment bei Romanautoren und Filmemachern auslöste. Fast zur gleichen Zeit, 1953, entdeckte Friedrich Jürgenson, dass er mithilfe eines Mikrofons, eines magnetischen Aufnahmegeräts und eines „Out of tune“-Radios mit Toten in Verbindung treten konnte. Diese wissenschaftlichen oder pseudowissenschaftlichen Entdeckungen hatten Auswirkungen auf viele Science-Fiction-Schriftsteller, und einige ihrer Bücher wurden verfilmt – kreativ (Stanisław Lems Solaris von Andrej Tarkowski) oder illustrativ (Frank Herberts Dune von Denis Villeneuve). Aber sie sind auch Teil unseres kollektiven Gedächtnisses – und es ist selbstverständlich, dass sich Künstler immer noch von ihnen inspirieren lassen.

Satelliten sind vor allem Kommunikationsinstrumente. Während Sputnik lediglich in regelmäßigen Abständen ein „BIP“ von sich gab, spielen diese seltsamen Flugmaschinen heute eine Rolle in unserem Alltag – vor allem seit dem Ausbruch zahlreicher Konflikte auf der Welt. Das Objekt der Phantasie, Symbol der Träume und der mit der Eroberung des Weltraums verbundenen Herrschaft, steht nun für Star Wars und militärisch genutztes Internet, GPS oder – immer noch – das Telefonieren. Den Aspekt der Kommunikation findet man auch in Jens Brands Werk door (2002), in dem 16 Motoren hinter einer Tür installiert sind. Der Besucher sieht zunächst nichts, aber hört eine Stimme, ein Flüstern, ein paar Worte oder auch Vogelgezwitscher. Er muss tiefer in den Raum hineingehen, um die Geräte zu sehen, eine Ansammlung von an der Tür angebrachten Kabeln und Mechanismen. Diese Zweckentfremdung von Maschinen – d. h. ihr Gebrauch für etwas, was sie eigentlich nicht tun sollten – ist auch der Ursprung der Forschungen von Friedrich Jürgenson, der über Radiowellen mit Toten in Verbindung trat. Die von Jens Brands Werk erzeugten Geräusche erinnern übrigens auch an die Aufnahmen des schwedischen Forschers. In diesem Sinne stehen die Werke von Jens Brand und Noa Heyne in direktem Zusammenhang mit Kommunikationstechnologien. Sie handeln von einer nicht ganz so fernen Vergangenheit und einer wenig angenehmen Gegenwart. Sie beschwören und enthüllen eine gewisse Poesie, die oft hinter wissenschaftlichen Utopien und technischen Errungenschaften verborgen ist. Aber in ihrem Flüstern oder ihren langsamen Bewegungen erinnern sie uns auch daran, wie schwierig es für uns Menschen ist, sich untereinander zu verständigen, zu kommunizieren (ob mit oder ohne Hilfe einer Maschine).

Letztendlich bieten Noa Heyne und Jens Brand dem Besucher zwei Werke mit einer seltsamen Art von Interaktivität. Wenn heute alle von virtueller und erweiterter Realität (VR & AR) sprechen, wird vergessen, dass es manchmal genügt, einen Körperteil unter einen Lichtstrahl zu halten oder mit den Händen an ein paar Strängen zu ziehen, um Objekte oder Kunstwerke zu aktivieren. Noa Heyne installiert so an einer Wand Schnüre, mit denen ein Satellitenarm im Nebenraum zum Leben erweckt wird – und der Besucher wird zum Puppenspieler (im Sinne desjenigen, der in einem Marionettentheater animiert), kann aber das Ergebnis, das seine Bewegungen erzeugen, gar nicht sehen. In einem anderen Raum hingegen projiziert Jens Brand das Bild des Fußbodens selbst auf den Boden – und wir müssen unter dem Licht hindurchgehen oder aufmerksam die leichte Verschiebung des Parketts unter unseren Schritten beobachten, um uns der Illusion bewusst zu werden. Diese beiden entwaffnend einfachen Werke, die ohne Motoren auskommen, zeigen, dass auch eine Anwesenheit der Lebenden notwendig ist, um Geister in Bewegung zu setzen.

Vor langer Zeit formulierte Marcel Duchamp: „A GUEST + A HOST = A GHOST“. Ihn interessierten eingängige Wortspiele und Geistesblitze, die Gedanken auslösen können, aber er vermittelt damit auch eine eindrucksvolle Definition des Dialogs und der Kommunikation. Der Gast spricht zum Gastgeber, der Gastgeber antwortet, sie tauschen sich über Ideen, Anekdoten und Erinnerungen aus und erschaffen dabei einen Geist. Wer von Jens Brand oder Noa Heyne ist hier der Gast? Wer ist der Gastgeber? Keiner der beiden Künstler nimmt eine führende Rolle ein, aber sie erschaffen gemeinsam und zwischen den Zeilen lebendige Geister.

Thibaut de Ruyter

galerie weisser elefant
Auguststraße 21, 10117 Berlin
www.galerieweisserelefant.de




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